Die Jugend hat gesprochen – die Ergebnisse
Die erste Umfrage zu Menstruation unter Jugendlichen zeigt: Jungs ist das Thema peinlich und Mädchen wissen nicht über ihren Körper Bescheid
Für den Start unseres Vorhabens, Jugendlichen das Thema Menstruation interessant und lustig näher zu bringen, haben wir im April/Mai 2017 1.100 Jugendliche zw. 13 und 17 Jahren zu ihrem Wissensstand und zu ihrer Einstellung zu Menstruation und Monatshygiene befragt. Das ist die erste repräsentative Umfrage zu diesem Thema unter österreichischen Jugendlichen. Die Ergebnisse sind überraschend und zum Teil schockierend.
Aus unserer täglichen Aufklärungsarbeit wissen wir, dass die Periode noch immer für viele Mädchen als ein großes Schreckensthema angesehen wird – entgegen aller aktuell durch die Medien propagierten offenen und positiven Einstellung zu Menstruation. Der aktuelle „Menstruationshype“, in dem die weibliche Regel vor allem auf Social Media zunehmend enttabuisiert und als etwas Positives wahrgenommen wird, betrifft vorwiegend erwachsene Frauen. Junge Mädchen erleben die Periode hingegen nach wie vor negativ, was meist auch mit einem negativen Körpergefühl einhergeht.
Die Fakten zur Umfrage
- Befragungszeitraum: April-Mai 2017
- Befragt wurden: österreichische Jugendliche (Mädchen und Jungen) zw. 11 und 18 (Kernzielgruppe: 13-17 Jährige)
Grundgesamtheit: 1.109 Jugendliche (684 Mädchen, 425 Jungen) - Erhebungsinstrument: Online-Fragebogen (mit Programm-Software: SoSci -> Garantie der anonymen Datenverwertung, da durch das Tool keine Speicherung der IP-Adressen oder sonstiger persönlicher Daten erfolgt).
- Stichprobenziehung: Kontakt durch GruppenleiterInnen (Vereine, Schulklassen, Jugendzentren). Um einerseits eine anonyme Teilnahme an der Umfrage zu ermöglichen und gleichzeitig sicherzustellen, dass ausschließlich die gewünschte Zielgruppe (Buben und Mädchen zw. 11 und 18 Jahren bzw. Kernzielgruppe 13-17 Jahre) an der Umfrage teilnimmt, waren Schulen, Pädagog*innen sowie Leiter*innen von Jugendzentren aufgerufen, die Umfrage mit Jugendlichen durchzuführen. Der Großteil der Jugendlichen nahm mit dem eigenen Smartphone an der Umfrage teil, einige nutzen auch schuleigene Computerräume für die Teilnahme.
- Aufbau des Fragebogens: Bereiche: Wissen, Umgang, Aufklärung, geschlechtsspezifische Fragen
Die Ergebnisse:
Einstellung: „Menstruation ist peinlich!“
- 60 % der Mädchen geben an, eine negative Einstellung zu ihrer Menstruation zu haben.
- 70% der Jungen finden das Thema Menstruation unwichtig und peinlich.
Viel schlimmer als bei der Einstellung sieht es beim Wissensstand aus. Die Umfrage, welche in anonymisierter Onlineversion erfolgte, hatte zum Zweck, zu durchleuchten, inwiefern der reguläre Aufklärungsunterricht das Thema Menstruation und Monatshygiene ausreichend behandelt. Fazit: Es herrscht enormer Aufholbedarf!
Wissensstand: Über 50% bei Basis-Menstruationswissen „durchgefallen“
- 85% der Mädchen und 88% der Jungs fühlen sich ausreichend über das Thema Menstruation informiert, haben aber eklatante Wissenslücken. So wissen 17% der Mädchen und jeder 3. Junge nicht, was Menstruation eigentlich bedeutet.
- 53% der Jungen glauben außerdem, Menstruation diene der Verhütung.
- Rund die Hälfte der Mädchen kann mit Begriffen wie Menstruationszyklus oder Zykluslänge nichts anfangen. Bei den Jungen sind es teilweise bis zu 80%. Besonders schockierend: Mehr als die Hälfte der Mädchen weiß nicht, wann ein Tampon spätestens gewechselt werden muss. Die meisten Mädchen haben noch nie vom toxischen Schocksyndrom (TSS) gehört und nur 13% können den Begriff erklären.
Regelschmerzen: trauriger (Schul-)Alltag für nahezu alle Mädchen
- 88% der Mädchen geben an, unter Menstruationsbeschwerden zu leiden.
- Die häufigsten Beschwerden sind Kopfschmerzen, gefolgt von Stimmungsschwankungen. Jedes 3. Mädchen leidet unter Bauchkrämpfen. Nur die wenigsten Mädchen würden sich jedoch bei massiven Regelschmerzen in der Schule einer Lehrperson anvertrauen. Gleichzeitig wissen junge Mädchen oft nicht, was sie gegen die Beschwerden tun und an wen sie sich wenden können. Nur 10% der Befragten wenden sich an den Schularzt, mehr als 60% würden ausschließlich mit einem Familienmitglied darüber sprechen und 20% verheimlichen ihre Beschwerden.
Dass Mädchen sich mit ihren Schmerzen oft allein gelassen fühlen und Hemmungen haben, mit jemandem darüber zu sprechen, führt nicht nur zu einer Isolierung der Betroffenen, sondern bedeutet auch einen deutlichen Einschnitt in ihre Lebensqualität und schulische Leistung. Besonders brisant: Jedes 3. Mädchen hat so starke Regelschmerzen, dass es deshalb schon mal dem Unterricht fernbleiben musste. Das zeigt akuten Handlungsbedarf von Seiten der Schulen, mehr Aufklärung zu diesem Thema zu bieten. Deshalb haben wir das Projekt READY FOR RED gestartet und sprechen bewusst Mädchen und Jungen damit an, da ein echter Tabubruch nur gelingen kann, wenn beide Geschlechter ausreichend über das Thema Bescheid wissen.
Entsorgungs-Skandal: 83% der benutzten Tampons und Binden landen im (Schul-)WC
- 73% der Mädchen benutzen hauptsächlich Binden, 44% verwenden Tampons
- Mehr als jedes 3. Mädchen kennt die Menstruationskappe, aber nur 2% nutzen eine
- 83% der Mädchen werfen Monatshygieneprodukte nach Gebrauch in die Toilette
Dass mehr als 4/5 aller Mädchen gebrauchte Hygieneprodukte anstatt im Mülleimer in der Toilette entsorgen, ist nicht nur eine ökologische, sondern auch eine ökonomische Katastrophe. Konventionelle Tampons und Binden enthalten oftmals Plastik, Chemikalien sowie synthetische Zusatzstoffe und zersetzen sich nicht nach dem Runterspülen. Sie landen direkt im Abwasser und sind für die Kläranlagen äußerst kostenintensiv. So müssen oftmals spezielle Zerkleinerer eingebaut werden, die die Anlagen von so genannten Feststoffen wie Tampons und Binden schützen. Wir von der erdbeerwoche sind davon überzeugt, dass dem leicht vorzubeugen wäre, wenn Mädchen einerseits über diese Problematik aufgeklärt würden und andererseits die Scham verlieren, ihre Hygieneartikel auch außerhalb der Toilette in einem Mülleimer zu entsorgen. Denn auf die Frage, warum sie dies täten, antworteten fast 20%, dass es keinen Mülleimer direkt neben der Toilette gäbe und 25%, dass ihnen die Entsorgung in Mülleimern außerhalb des WCs peinlich wäre. Angesichts dieser Zahlen erscheint es fast logisch, dass sich nur jedes 3. Mädchen bisher Gedanken zu den Umweltauswirkungen von Monatshygieneprodukten gemacht hat. Aus diesem Grund hat READY FOR RED gemeinsam mit Generation Blue, der Wasserjugendplattform des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus die Kampagne PERIODS FOR FUTURE gestartet.
Erstes Fazit: massiver Aufklärungsbedarf gegeben
Die Ergebnisse der Umfrage legen zum Teil massive Lücken im Basiswissen über Menstruation offen – sowohl bei Mädchen als auch bei Jungen. Dies lässt darauf schließen, dass Menstruation nicht ausreichend oder nicht adäquat im Unterricht behandelt wird. Gewisse Themen wie der richtige Umgang mit Menstruationsprodukten oder die gesundheitlichen bzw. ökologischen Auswirkungen dieser Produkte finden großteils überhaupt keine Erwähnung. Schockierend ist außerdem die überwiegend negative Einstellung der befragten Jugendlichen zum Thema Menstruation. Insgesamt lassen die Ergebnisse darauf schließen, dass Menstruation noch immer ein massives Tabuthema in unserer Gesellschaft darstellt – insbesondere bei Jugendlichen. Der Aufklärungsbedarf ist hoch und die Art der Vermittlung dieser Themen muss dringend überarbeitet werden. Mit dem Projekt READY FOR RED möchten wir von der erdbeerwoche diese Aufklärung vorantreiben und zur Enttabuisierung der Menstruation beitragen.
Es besteht Hoffnung
ABER: Es gibt auch positive Tendenzen! Auch wenn mehr als 60% der Mädchen eine negative Einstellung zu ihrer Menstruation haben, so verbindet doch der überwiegende Teil der Befragten mit ihrer Periode Begriffe wie „weiblich“, „erwachsen“ und „normal“. Demzufolge scheint das Thema Menstruation zwar für viele negativ behaftet, gleichzeitig sind sich Mädchen aber zumindest zum Teil der Grundfunktion der Regel bewusst als Zeichen für einen gesunden Zyklus und Fruchtbarkeit. Diese positive Tendenz möchten wir mit unserem Projekt READY FOR RED aufgreifen und Mädchen wie Jungen über das Geheimnis der Menstruation mit allem was dazu gehört, aufklären
Menstruation als (un-) beliebtes Gesprächsthema
Die Umfrage unter insgesamt 1.100 österreichischen Jugendlichen ergab, dass 53% der Mädchen kein Problem damit haben, über Menstruation zu sprechen. Fast 18% hingegen fühlen sich dabei unwohl und wollen das Thema meiden. Am ehesten reden Mädchen mit ihren Freundinnen über ihre Tage, dicht gefolgt von der eigenen Mutter als vertraute Gesprächspartnerin. Die beliebtesten Informationsquellen von Mädchen zum Thema Menstruation sind: Familie (62%), Internet (32%) und Schule (10%). Dass Menstruation und Monatshygiene scheinbar nur sehr am Rande im Schulunterricht Erwähnung findet, bestätigt nicht nur dieses Ergebnis, sondern auch das Resultat unserer Wissensfragen, wonach mehr als die Hälfte der Mädchen mit Begriffen wie Zyklus, Zykluslänge oder toxisches Schocksyndrom nichts anfangen kann. Folglich holen sich die Mädchen die für sie notwendigen Informationen aus alternativen Quellen, wobei hier das Internet ganz vorne rangiert. Dass dort nicht nur Halbwahrheiten, sondern zum Teil in diversen Mädchenforen auch beunruhigende Falschinformationen verbreitet werden, verstärkt die Notwendigkeit einer umfassenden Aufklärung direkt in der Schule.
Kein offener Umgang mit dem Thema Menstruation in der Familie
Aber nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen haben eklatante Wissenslücken. So glauben 53% der Jungen, dass Mädchen die Menstruation zur Verhütung bekommen. Nicht verwunderlich erscheint in diesem Zusammenhang, dass bei fast 93% der befragten Jungen das Thema Menstruation nicht offen in der Familie besprochen wird. Immerhin fast 30% der Jungen finden, dass man über das Thema Menstruation in der Schule am besten informiert wird, was wiederum zeigt, dass der Aufklärungsunterricht in diesem Bereich unbedingt ausgebaut werden muss.
Jungs kennen sich bei Regelbeschwerden gut aus und wollen Mädchen unterstützen
Der positive Ausblick zum Schluss: Auch wenn Jungen noch viel weniger über Menstruations-Basiswissen verfügen, als Mädchen, so kennen sie sich zumindest, was Regelbeschwerden betrifft, gar nicht so schlecht aus. Laut Umfrage leiden fast 90% der befragten Mädchen unter Regelschmerzen, wobei die häufigsten Beschwerden Kopfschmerzen, Bauchschmerzen und Stimmungsschwankungen sind. Auch die Jungen tippten gefragt nach den häufigsten Menstruationsbeschwerden auf diese Symptome und zeigen sich somit informierter als gedacht.
Besonders erfreulich: 52% der Jungen gaben an, dass sie bereit wären, Mädchen zu unterstützen, die unter akuten Regelbeschwerden leiden. Wie und in welcher Form das möglich ist, das wollen wir Jugendlichen ebenfalls mit READY FOR RED vermitteln.
Die Entwicklung des Projekts ist gefördert aus Mitteln der Nationalstiftung für Forschung, Technologie und Entwicklung.